Arbeit 4.0 entstand in Anlehnung an die vierte industrielle Revolution - die so genannte Industrie 4.0 und deren Auswirkungen auf die digitale Arbeitswelt. Der Begriff Industrie 4.0 ging 2011 als Schlagwort aus einem gleichnamigen Zukunftsprojekt der Bundesregierung hervor. Ziel des Projektes war es, die industrielle Produktion mit moderner Informations- und Kommunikationstechnik auf Basis intelligenter Systeme und Vernetzung auzustatten.
In diesem Zusammenhang erhielt Arbeit 4.0 die Bedeutung einer digitalisierten und vernetzten Arbeitswelt. Im Fokus von Arbeit 4.0 stehen nicht nur die Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt, sondern auch die Bedürfnisse des Arbeitnehmers, der mit Automatisierung, Digitalisierung und Globalisierung umgehen muss.
Grundlage für den Begriff ist das Weißbuch Arbeit 4.0 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BAMS). Dieses Dokument ging aus dem im April 2015 gestarteten Dialogprozess "Arbeiten 4.0" hervor, in dem mit Verbänden, Gewerkschaften und Unternehmen Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um Arbeit 4.0 erarbeitet wurden. Das BMAS wollte damit eine breite gesellschaftliche Debatte dokumentieren und einen Impuls zur gesellschaftlichen Gestaltung der Zukunft der Arbeit setzen. Im Gegensatz zur Industrie 4.0 legt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hierbei den Schwerpunkt auf die Arbeit und Arbeitsformen mit Fokus Wissensarbeit.
Die Arbeit 4.0 Definition lässt sich nicht auf digitale Tools bzw. Plattformen und das Internet of Things reduzieren. Sie bilden zwar die Basis für den digitalen Arbeitsplatz, sind aber nur ein kleiner Teil der Arbeitswelt 4.0.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sieht im Konzept Chancen, die sozialen Bedingungen, Werte und Spielregeln am Arbeitsplatz auf den Prüfstand zu stellen. Gleichzeitig soll das Arbeitsumfeld so entwickelt werden, dass es einer modernen, aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft entspricht. Das geht über das Modell digitaler Arbeitsplatz, mobile Unternehmenssoftware oder nachhaltige Bürokonzepte weit hinaus.
Arbeit 4.0 bedeutet, die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz und die Unternehmenskultur so zu gestalten, dass der Mensch mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht. Dahinter steht die Vision einer Arbeitswelt, in der sowohl Wirtschaftlichkeit als auch Menschlichkeit zu gleichen Teilen berücksichtigt werden.
Das beeinflusst auch Politik und Gesetzgebung. Gewerkschaften, Arbeiterorganisationen und Unternehmen gehen dazu über, in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen den Schutz des Arbeitnehmers in den Mittelpunkt zu stellen. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das Unternehmen zukünftig zur Arbeitszeiterfassung verpflichten soll, zielt darauf ab.
Im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die tatsächlich gearbeitete Zeit der Arbeitnehmer erfasst wird. Hintergrund dieses Urteils ist der Versuch, das Einhalten arbeitszeitgesetzlicher Regelungen und die aktuelle Rechtsprechung der nationalen Arbeitsgerichte besser kontrollieren zu können.
Das wegweisende Urteil hat auch in Deutschland einen Wandel ausgelöst. So hat der Gesetzgeber beispielsweise für die Fleischindustrie ein Arbeitsschutzprogramm auf den Weg gebracht, das auch die Verpflichtung zu einer elektronischen Arbeitszeiterfassung enthält. Diese Branche war vor allem durch Fließbandproduktion, niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen ins Blickfeld geraten. Ziel des bundesweit angelegten Programms ist es unter anderem, mehr Transparenz über die geleisteten Arbeitsstunden zu erhalten und so eine Kontrolle der Höchstarbeitszeiten und Pausenzeiten zu ermöglichen.
Das Konzept Arbeiten 4.0 hat durch den extremen Fachkräftemangel in dienstleistungsintensiven Branchen, wie Gesundheitswesen oder Logistik, noch einmal an Auftrieb gewonnen. Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahren von einem Push- zu einem Pull-Markt entwickelt.
Da die Nachfrage nach Fachkräften inzwischen höher ist als das Angebot, sind Unternehmen auf ein Employer Marketing angewiesen. Die Rahmenbedingungen müssen optimiert werden, um den Arbeitsplatz für die knappen Arbeitskräfte so attraktiv wie möglich zu gestalten.
Auf dem Weg zu einer digitalen Arbeitswelt 4.0 müssen Unternehmen einige Herausforderungen bewältigen. Diese drei wichtigen Punkte sollten beachtet werden:
Obwohl diese Konzepte nicht neu sind, erfordert die Umsetzung Fingerspitzengefühl, Geduld und die finanziellen Mittel, um die Entwicklung zu begleiten. Die Auswirkungen eines solchen Wandels sind vielschichtig und auf allen Ebenen im Unternehmen angesiedelt. In der Regel ist zusätzlich zur Geschäftsführung auch der Betriebsrat involviert. Die Herausfordungen der Arbeit 4.0 liegen vor allem darin, die angestrebte Veränderung zum Wohle von Arbeitnehmern und Arbeitgebern umzusetzen.
Die zunehmende Digitalisierung in der Unternehmenslandschaft ermöglicht in vielen Fällen auch einen ortsunabhängigen Arbeitsplatz. Hinzu kommt die Forderung der Arbeitnehmer nach mehr Work-Life-Balance, Freizeitausgleich und altersgerechten Arbeitszeiten.
Für viele Unternehmen, beispielsweise aus der Industrie oder Logistik, sind flexiblere Arbeitszeiten und individuelle Arbeitszeitmodelle nur schwer vorstellbar und umsetzbar. Sie befürchten Produktionsengpässe oder Störungen der Lieferkette, die die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig schädigen. Eine Problematik, die während der Corona-Pandemie noch einmal deutlicher wird.
Die Herausforderung ist es, Dienstpläne entsprechend der Auftragslage zu flexibilisieren und gleichzeitig die Arbeitsmuster individuell zu gestalten. Es entsteht eine Win-Win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Mit dem Trend zur Digitalisierung und Mobilisierung werden auch starre, meist hierarchisch angeordnete Organisationsformen auf den Prüfstand gestellt. Im Zusammenhang mit der eingeforderten Agilität der Arbeitnehmer sollten auch Organisationstrukturen und Prozesse flexibler werden.
Bisher hierarchisch angeordnete Führungssysteme werden durch eine gleichmäßige Verteilung von Verantwortlichkeiten und einer Kommunikation auf Augenhöhe abgelöst. Statt Abteilungsleitern gibt es eine Gruppe von Prozessverantwortlichen oder Arbeitsgruppen, die für bestimmte Abläufe und Entscheidungen verantwortlich sind.
Diese organisatorische Umstrukturierung in den Unternehmen wird als Demokratisierung bezeichnet. Mit dem New Work Konzept Crowdsourcing erhalten auch Kommunikationsprozesse eine ganz neue Bedeutung im Unternehmen. Informationen und Transparenz auf allen Ebenen bilden die Basis für demokratische Entscheidungen und die Intelligenz der Vielen.
Es ist nicht eine Führungskraft oder die Führungsebene, die das gesamte Wissen hat und entscheidet. Alle Mitarbeitenden sind am Funktionieren, am Handeln und der Ausrichtung des Unternehmens beteiligt und werden zum Mitunternehmer. Sie erhalten mehr Entscheidungskompetenz, während das Management entlastet wird.
Agile Arbeitsformen, intelligente Systeme und komplexe Unternehmensanwendungen erfordern andere, teilweise neue Fähigkeiten auf Seiten der Arbeitnehmer. Die so genannte digitale Kompetenz ist hierbei von besonderer Wichtigkeit.
Wenn die Technologie immer weiter voranschreitet, verändern sich auch die Arbeitsprozesse. Die Kommunikation erfolgt nicht mehr persönlich, sondern findet mit Hilfe von IT und Digitalisierung an jedem Arbeitsplatz und mit Menschen überall auf der Welt statt. Selbst bei einfachen Arbeiten, zum Beispiel bei der Fließbandproduktion, steigen die Anforderungen an den Beruf und an die Belegschaft.
Eine schnelle Auffassungsgabe und der effiziente Umgang mit Systemen oder Maschinen werden auch dort vorausgesetzt. Damit dies gelingen kann, müssen die Arbeitnehmer auf einen solchen Wandel der Arbeitswelt vorbereitet sein und mit der Technik umgehen können. Auch die daraus resultierende Veränderung des unternehmerischen Hierarchieprinzips erfordert von den Arbeitnehmern eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten.
Eine Studie des IDG Forschungszentrums zur Untersuchung des Arbeitsplatzes im Kontext der Digitalisierung ergab folgende Ergebnisse.
Ob die durch Arbeit 4.0 gewonnene Agilität und Mobilität als positiv oder negativ wahrgenommen werden, hängt von der individuellen Lebenssituation des Arbeitnehmers und von seiner Tätigkeit ab. Für Büroarbeiter mit Familie geht Home Office mit einer verbesserten Work-Life-Integration einher. Gleiches gilt für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Durch die Unabhängigkeit von einem festen Arbeitsplatz können insgesamt mehr Menschen am Berufsleben teilhaben.
Laut einer Umfrage von Capterra ist die durch New Work Konzepte gewonnene zeitliche und örtliche Flexibilität ein großer Vorteil. Aufgaben lassen sich dann erledigen, wenn die nötige Ruhe vorhanden ist, zum Beispiel am Abend, wenn die Kinder im Bett sind. Die klassischen Arbeitszeiten können für private Angelegenheiten wie Einkäufe oder Arztbesuche genutzt werden.
Zeitlich selbstbestimmtes Arbeiten führt häufig zu einer höheren Produktivität, da Arbeitnehmer Phasen nutzen können, in denen ihre Konzentrationsfähigkeit am höchsten ist. Hier ist anzumerken, dass diese Vorteile ausschließlich für Arbeitnehmer gelten, die ihre Tätigkeit digital, am PC, per Notebook oder Smartphone durchführen und ihren Arbeitsplatz ins Home Office verlagern können.
Auf Grundlage einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit 12 000 qualitativen Interviews über alle Branchen und Hierarchieebenen hinweg lassen sich folgende wichtige Punkte im Kontext Arbeit 4.0 zusammenfassen:
Es gibt jedoch auch Nachteile der Arbeit 4.0, zum Beispiel im digitalen Home Office. So häufen sich schnell Überstunden an, wenn Arbeitsbeginn und Arbeitsende individuell bestimmt werden und kein Nachweis darüber vorhanden ist. Und auch für Alleinlebende bringen neue Arbeitsformen oftmals Nachteile mit sich. Einige davon sind:
Im gewerblichen Bereich, in der Logistik und im Einzelhandel sind Arbeitnehmer am Arbeitsplatz meist hohen körperlichen Belastungen ausgesetzt. Auch Nachtarbeit, Schichtarbeit und Bereitschaftsdienste, wie sie im Gesundheitswesen üblich sind, führen oft dazu, dass Arbeitnehmer an die Grenzen ihrer physischen und psychischen Belastbarkeit stoßen.
New Work Arbeit 4.0 Konzepte können zu mehr Leistungsfähigkeit und Mitarbeiterzufriedenheit beitragen. So machen es Wahlarbeitszeiten möglich, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Arbeitsvolumen freiwillig und ohne Angabe von Gründen reduzieren. Der Tarifabschluss 2018 der IG Metall beispielsweise sieht mehr Wahlmöglichkeit bei der wöchentlichen Stundenzahl vor. Gleichzeitig können die Arbeitnehmer das neue tarifliche Zusatzgeld (T-ZUG) unter bestimmten Voraussetzungen in Freizeit umwandeln.
Weitere Maßnahmen für Mitarbeiterorientierung und Gesundheitsschutz im Schichtbetrieb könnten sein:
Arbeiten 4.0 birgt Chancen und Risiken. Berücksichtigt das Berufsleben demografische und soziografische Merkmale von Arbeitern und Angestellten, wirkt sich das auf deren Motivation und Leistungsfähigkeit positiv aus.
Die hohe Volatilität, der technische Fortschritt und die Globalisierung unserer Arbeitswelt machen es nahezu unmöglich vorauszusagen, wohin sich der nationale Arbeitsmarkt bewegen wird. Experten und Verbände sind sich jedoch einig, dass der demografische Wandel und der Boom des Dienstleistungssektors in Zukunft den Fachkräftebedarf weiter steigern wird.
Das gilt vor allem für das Gesundheits- und Sozialwesen, wo heute schon ausländische Pflegekräfte angeworben werden müssen, um den Fachkräftebedarf zu decken. Unternehmen werden diesen Mangel durch ein effizientes Management und die gezielte Weiterentwicklung vorhandener Qualifikationen entlang der Unternehmensstrategie kompensieren müssen.
Ein wichtiges Stichwort im Zeitalter von New Work lautet daher Fachkräftesicherung. Das Personal muss nicht erst auf dem wettbewerbsintensiven Arbeitsmarkt teuer angeworben werden, sondern ist bereits im Unternehmen vorhanden. Die gezielte Weiterbildung von Arbeitern und Angestellten führt dazu, dass sie zukünftig flexibler eingesetzt werden können.
In der Produktion erweitert sich so die Einsatzmöglichkeit an verschiedenen Maschinen oder auf unterschiedlichen Produktionslinien. Pflegefachkräfte in Krankenhäusern qualifizieren sich durch gezielte Weiterbildungen für die Bedienung verschiedenster medizinischer Geräte oder den Einsatz im OP. Diese Beispiele verdeutlichen die Notwendigkeit einer digitalen Arbeitswelt 4.0, Arbeitnehmer konsequent weiterzuentwickeln.
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