Der 14. Mai 2019 wird als ein wegweisender Tag in die Geschichte eingehen. Zumindest, wenn man den Fokus auf Unternehmen, Mitarbeiter und das Thema Arbeitszeiterfassung richtet. Denn das Urteil des EuGH soll Arbeitgeber in allen Mitgliedsstaaten der EU dazu verpflichten, die tägliche Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer systematisch zu erfassen. Wir klären die wichtigsten Fragen rund um das Urteil des europäischen Gerichtshofes und den Vorgaben zur Erfassung der Arbeitszeit.
Obwohl die Vorgaben des EuGH und dessen gesetzliche Umsetzung in deutsches Recht noch in der Schwebe stehen, sorgt ein kürzlich gefälltes Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm (Aktenzeichen 7 TaBV 79/20) für Aufsehen. Denn die Richter urteilten, dass Betriebsräte vom Arbeitgeberverlangen dürfen, dass er ein elektronisches Zeiterfassungssystem einführen muss – und zwar für alle Mitarbeiter.
Ausschlaggebend für das Urteil war ein Rechtsstreit zwischen einem Betriebsrat und einer Klinik, die sich bei Verhandlungen um ein Arbeitszeitmodell nicht über die Einführung von Arbeitszeitkonten einigen konnten (Mehr dazu). Mitte 2022 soll vor dem Bundesarbeitsgericht final darüber entschieden werden. Somit könnte ein nationales Gericht dem EuGH-Urteil bereits vorgreifen.
Das Urteil des EuGH soll die Rechte der Arbeitnehmer in allen Mitgliedstaaten zum Schutz der Gesundheit stärken. Demnach gilt die Revolution hinsichtlich der Arbeitszeit auch für Deutschland. Denn Arbeitnehmer haben, blickt man auf Arbeitszeitrichtlinien, ein Grundrecht hinsichtlich der Höchstarbeitszeit sowie auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten. So muss der Arbeitgeber per Gesetz beispielsweise eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und Arbeitsanfang am Folgetag gewähren. Erst wenn die Arbeitszeit systematisch und ganzheitlich erfasst wird, lassen sich beispielsweise auch Überstunden konkret und detailliert beziffern.
Tatsächlich sind, so der EuGH, alle Arbeitgeber von der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betroffen. Vom Kleinstbetrieb bis zum großen Konzern. In vielen Betrieben, vor allem in der Produktion, ist die Arbeitszeiterfassung bereits etabliert. Doch mit dem Urteil des EuGH haben die EU-Richter den Mitgliedstaaten aufgetragen, nationale Regelungen, sprich Anpassungen oder Änderungen im Arbeitsrecht, rund um eine systematische Arbeitszeiterfassung zu schaffen. Auch Sonderregelungen je nach Tätigkeitsbereich oder Unternehmensgröße sind möglich und obliegen der nationalen Gesetzgebung.
Das EuGH-Urteil verpflichtet grundsätzlich noch nicht zur Einführung einer Arbeitszeiterfassung. Dennoch ist es für Unternehmen ratsam, sich zeitnah mit dem Thema tägliche Arbeitszeit auseinanderzusetzen. Wer frühzeitig mit entsprechenden Arbeitszeitrichtlinien agiert, gerät nicht in die Gefahr, am Ende zu spät dran zu sein, zumal das Urteil des EuGH auch eine Chance für viele Unternehmen sein kann. Denn wird die Arbeitszeiterfassung in ein modernes Workforce Management integriert, können ungeahnte Potentiale gehoben werden – strategisch und operativ.
Mehr über das EuGH-Urteil zur Zeiterfassung
Eine Software für Arbeitszeitmanagement ermöglicht die lückenlose und differenzierte elektronische Erfassung der Arbeitszeit, so wie das Urteil des EuGH es vorschreibt. Die Erfassung der Arbeitszeit kann direkt am Arbeitsplatz per PC, über ein Software-Terminal, Telefon oder unterwegs per App auf dem Smartphone erfolgen. Letzteres ist vor allem ein Vorteil für mobile Mitarbeiter, zum Beispiel im Außendienst, im Facility Management oder im öffentlichen Dienst bei Außeneinsätzen wie Verkehrsüberwachung oder Stadtreinigung.
Unabhängig von der Art der Arbeitszeiterfassung weisen intelligente Automatismen auf fehlende Zeitbuchungen hin und machen die Erfassung der Arbeitszeit sicher und effizient. Die erfassten Arbeitszeiten bilden die Basis für die Berechnung von Zeitkonten und Zuschlägen sowie die automatische Prüfung von gesetzlichen Vorgaben, wie etwa der maximalen Arbeitszeit oder der Ruhezeit. So ermöglicht ein intelligentes Arbeitszeitmanagement gesetzeskonforme Prozesse und schützt gleichzeitig die Gesundheit der Belegschaft.
Workforce Management geht noch einen entscheidenden Schritt weiter und bedeutet letztlich die Integration von Arbeitszeitmanagement und Personaleinsatzplanung. Erfasste Ist-Daten aus dem Arbeitszeitmanagement werden genutzt, um bedarfs-, kosten-, service- und mitarbeiterorientierte Dienstpläne zu berechnen. Dabei berücksichtigen sie neben gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Vorgaben den Personalbedarf sowie die Zeitkonten, Verfügbarkeiten und Qualifikationen der Mitarbeiter, ihre individuellen Wünsche und vieles mehr.
Digitales Workforce Management sorgt auf allen Ebenen für mehr Effizienz und schafft gleichzeitig mehr Flexibilität und Transparenz. Beispielsweise informieren automatisch generierte Push-Nachrichten über fehlende Zeitbuchungen, maximale Arbeitszeiten oder ablaufende Qualifikationen. Intuitive Self Services binden die Mitarbeiter direkt ein, entlasten die HR-Abteilung von Routinetätigkeiten rund um das Arbeits- und Fehlzeitenmanagement und beschleunigen diese Prozesse drastisch. So können vergessene Zeitbuchungen oder Abwesenheiten, zum Beispiel Urlaub oder Dienstreise, elektronisch durch den Mitarbeiter beantragt und direkt an den Vorgesetzten zur Genehmigung weitergeleitet werden.