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15.02.2022
In 2022 ein Drittel der eigenen Mitarbeiter ersetzen? Klingt unrealistisch? Ganze 41 Prozent der weltweiten Workforce erwägen, ihren Arbeitgeber in diesem Jahr zu verlassen, hat kürzlich eine Microsoft-Studie ergeben. Sebastian Dettmers, CEO von Stepstone, prophezeit für die Zukunft gar eine „Arbeiterlosigkeit“. In den USA spricht man längst vom „Big Quit“, einer (scheinbar) durch Corona bedingten Kündigungswelle. Hier geht es nicht zwingend um bessere Gehälter, sondern um gute Arbeitskultur, Teamgeist und Flexibilität. Was bewegt die heutige Workforce?
In Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie überwiegen eigentlich die Ängste vor Arbeitslosigkeit und fehlender Absicherung. Machten zu Beginn der Pandemie Massenentlassungen Schlagzeilen, hat sich nun das Verhältnis gedreht: Derzeit werden in Deutschland 1,2 Millionen Arbeitskräfte gesucht. Die Arbeitnehmer treffen selbstbewusst Entscheidungen. Die Pandemie-Monate haben die Kündigungszahlen in vielen Industrieländern in die Höhe schnellen lassen. Auch wenn die News oft die USA betreffen, schwappt das Phänomen längst nach Europa über. Laut einer Umfrage des Ifo-Instituts melden bereits mehr als ein Drittel der deutschen Unternehmen einen Mangel an Fachkräften. Dabei betrifft das Phänomen viele Branchen, wie der Blick auf die Statistik zeigt.
Angefeuert durch die Pandemie stellen Arbeitnehmer die Sinnfrage und die geht weit über die Höhe der Vergütung hinaus. Die Überlegung, ob die „Normalarbeitszeit“ dem eigenen Lebensentwurf entspricht, kam durch die Stundenreduzierung während der Kurzarbeit überhaupt erst auf. Gerade für Branchen mit einem hohen Anteil der Deskless Workforce (Mitarbeiter mit festem Arbeitsplatz) hat sich der Druck erhöht: höhere Belastungen in der Pandemie im Gesundheitswesen, der Logistik oder auch im (wiedereröffnenden) Einzelhandel machen sich bemerkbar. Die Arbeitsbedingungen stehen in Bezug auf Arbeitsschutz, Flexibilität und Mitarbeiterorientierung (z.B. durch Home Office) auf dem Prüfstand. Auch das Thema Arbeitskultur hat Einfluss. Eine Analyse von Glassdoor Bewertungen in der MIT Sloan Management Review hat „vergiftetes Arbeitsklima“ als Hauptursache für verstärkte Fluktuation identifiziert.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft stellt fest: Hochqualifizierte Experten werden wieder so händeringend gesucht wie vor der Krise. Pandemiebedingte Grenzschließungen und steigende Löhne in Mittel- und Osteuropa haben z.B. in Deutschland und Dänemark zu Engpässen bei Fleischverpackern und im Gastgewerbe geführt.
Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages gingen in 2021 bereits 350.000 Menschen mehr in Rente als aus den Schulen nachkämen, in den kommenden Jahren werde die Differenz noch größer. Nicht nur Kündigungen und der demografische Wandel verschärfen die Arbeitsmarktlage: Über den Zeitraum der Pandemie ist zu beobachten, dass Frauen häufiger ihre Arbeitszeit verringern, um den Anteil an Sorgearbeit zu vergrößern. Dies wird zumindest mittelfristig zum Problem für die Personalplanung.
Klaus WohlrabeDa die Konjunktur nach den Corona-Öffnungen angezogen hat, haben Firmen inzwischen Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern.
Damit Betriebe ihre Aufträge abarbeiten, Lieferfristen einhalten oder Geschäftszeiten und Dienstleistungsangebote aufrechterhalten können, steht die Mehrbelastung der Mitarbeiter an der Tagesordnung. Eine weiter sinkende Arbeitslosenzahl macht es nötig, die Potentiale der eigenen Belegschaft intelligent und nachhaltig zu nutzen. Das vermeidet Mehrbelastungen der Mitarbeitenden, kann Lohnkosten stabilisieren und Raum für Innovationen schaffen.
Recruiting wie Mitarbeiterbindung profitieren von Maßnahmen zur Mitarbeiterintegration und der Harmonisierung von Arbeits- und Privatleben. So beschreibt das Bundeministerium für Wirtschaft und Energie, dass eine flexible Arbeitszeitgestaltung die Arbeitgeberattraktivität erhöht und Kündigungen verhindern kann. Zudem werden konjunkturelle Schwankungen leichter abgefedert, Produktions- und Verkaufszeiten können nach Absprache erweitert werden und tragen über Liefergeschwindigkeit und Erreichbarkeit zu mehr Kundenzufriedenheit bei. Und zwar ganz im Sinne eines langfristigen Geschäftserfolges.
Wie kann man als Arbeitgeber wirtschaftlich bleiben und dabei seine Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen? Volle Transparenz zu den unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Belegschaft und den wirtschaftlichen Anforderungen kann heute nur über digitale Tools mit Echtzeitdaten entstehen. Die digitale Integration aller ist dabei entscheidend – gerade für die sog. „Deskless Workforce“, die Selbstbestimmung nicht über Home-Office-leben kann. Damit sind wir schon mitten bei den Themen des Workforce Management:
Zeitgemäße Dienstplanung berücksichtigt Mitarbeiterwünsche, wie die Case Study des Klinikum Leverkusen zeigt. Self Services ermöglichen den Mitarbeitern, selbstbestimmt ihre Arbeitszeiten mitzugestalten – genauso unkompliziert wie in ihrer Freizeit. Fairnesscounter in der Schichtplanung oder Belohnungssysteme für unpopuläre Randzeiten können helfen, einem „vergifteten Arbeitsklima“ entgegenzuwirken.