Andreas F.J. Obereder

Volatilität managen

Andreas F.J. Obereder
CEO und Gründer | ATOSS

Interview, Geschäftsbericht 2011

    Herr Obereder, 2011 war wieder ein ausgezeichnetes Jahr für ATOSS. Ihr Unternehmen bleibt auf Erfolgskurs und Ihre Themen sind in aller Munde …

    Es ist schön zu sehen, dass sich immer mehr Unternehmen mit Workforce Management und seinen Potenzialen für mehr Produktivität beschäftigen. Wer hätte vor ein paar Jahren gedacht, dass intelligenter Personaleinsatz plötzlich so massiv auf der Agenda von Topmanagern landet? Unser Thema ist definitiv in den Chefetagen angekommen. 

    Dazu hat natürlich die wirtschaftliche Entwicklung beigetragen. 

    Absolut, vor allem in einem so verrückten Jahr wie 2011. Einerseits brummte die deutsche Wirtschaft, als hätte es Lehmann nie gegeben, andererseits erleben wir die dramatische Finanzkrise in der Eurozone mit ihren Problemfällen in Südeuropa, wo die Volkswirtschaften dringend wieder den Anschluss an höhere Produktivität finden müssen.

    Das Ausland blickt ja angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Beschäftigungsdaten fast ungläubig nach Deutschland.

    Der Erfolg in Deutschland hat natürlich viele Väter. Hier haben viele Unternehmen und die Politik ihre Hausaufgaben gemacht. Die Produktivität in Deutschland liegt über der in vielen anderen Ländern, aber es gibt noch viel zu tun. Mich freut es dabei, dass die Bedeutung von Workforce Management wächst. 

    Die Optimierung von Arbeitsund Prozesswelten bekommt einen ganz neuen Stellenwert...

    Andreas F.J. Obereder | CEO und Gründer, ATOSS

    Wo genau setzen Sie mit ATOSS an?

    Die zunehmende Volatilität der Märkte mit den dramatischen Wechseln, wie wir sie in den letzten Jahren immer häufiger erleben, zwingt Unternehmen dazu, ihre Prozesse ständig zu verändern und kurzfristig an neue Situationen und Geschäftsmodelle anzupassen. Prozesse müssen heute bildlich gesprochen elastisch sein. Nur so können Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Von entscheidender Bedeutung ist, dass Personalprozesse nicht als Bremse wirken, sondern kurzfristig die Umsetzung nötiger Veränderungen ermöglichen. Letztlich ist das Management von Komplexität vor allem auch ein Personalthema. Die Optimierung von Arbeitsund Prozesswelten bekommt einen ganz neuen Stellenwert. Hier steckt ein enormes Potenzial für mehr Wertschöpfung.

    Können Sie Beispiele nennen?

    11 Prozent mehr Umsatz, 15 Prozent weniger Personalkosten bei konstanter Beschäftigungszahl, 20 Prozent weniger bilanzrelevante Rückstellungen – das sind Zahlen aus aktuellen ATOSS Projekten, die für sich sprechen. Einige der erzielten Effekte präsentieren wir hier im Geschäftsbericht.

    Sehen Sie Schwerpunkte in bestimmten Branchen?

    Unterschiedliche Branchen stehen natürlich vor unterschiedlichen Herausforderungen. Nehmen Sie zum Beispiel die produzierende Industrie, die nach der Phase der Kostenreduktion durch die Verlagerung von Produktionsstandorten ins Ausland verstärkt daran geht, die Wertschöpfung in einem Hochlohnland wie Deutschland zu verbessern. Wir erleben eine steigende Nachfrage nach Planungswerkzeugen, die einen viel feingranulareren Personaleinsatz als in der Vergangenheit sicherstellen sollen. Es ist überraschend zu sehen, dass selbst in renommierten Großunternehmen heute nur auf Teamebene und nicht unternehmensweit geplant wird. Hier ist ganzheitliche Strategie statt Stückwerk erforderlich.

    Andreas F.J. Obereder

    Wie muss man sich das vorstellen?

    Lassen Sie mich ein Beispiel aus einem Bereich bringen, der 2011 auch ein großes Thema war. Im Rahmen der Energiewende rückt plötzlich das Problem in den Vordergrund, dass erneuerbare Energien wie Wind oder Sonne nicht überall gleichmäßig zur Verfügung stehen, sondern starken Schwankungen unterliegen, von sich verändernder Nachfrage ganz zu schweigen. Es wird intensiv daran gearbeitet – übrigens mit Hilfe intelligenter Software – das Load Balancing und damit einen optimalen Ausgleich zwischen Nachfrage und Produktion zu ermöglichen. Und genau das tut Workforce Management mit der Synchronisation von Personalverfügbarkeit und Bedarf. Die Effekte sind kurzfristig messbar – in der Regel bereits innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate. 

    Wie geht man an das Thema Workforce Management heran?

    Grundsätzlich müssen drei Dimensionen in Einklang gebracht werden. Zum einen die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens, beispielsweise die aktuelle Auftragslage in der Produktion oder die Kundenfrequenzen im Handel. Der zweite Bereich sind die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, der stark zu Motivation und Mitarbeiterbindung beiträgt und die Servicequalität unmittelbar beeinflusst. Und drittens müssen Rahmenbedingungen wie Gesetze, Tarife, Betriebsvereinbarungen, Qualifikationen und vieles mehr in die Planung einfließen. Alle diese Faktoren im Sinne der Unternehmensstrategie optimal zu synchronisieren, ist eine unserer Kernkompetenzen.

    Ist das nicht extrem komplex?

    Technisch gesehen ja. Die differenzierten Anforderungen einer bedarfs- und kostenoptimierten Planung mit ihren vielfältigen Einflussfaktoren sind ohne leistungsfähige IT-Unterstützung ganz einfach nicht zu bewältigen. Wenn man sich die Vielzahl der möglichen Planungsvarianten alleine bei einer Handelsfiliale von 30 Mitarbeitern und drei unterschiedlichen Startzeiten vorstellt, landet man sehr schnell in unglaublich hohen Dimensionen. Traditionelle Methoden wie Tabellenkalkulationen sind schlicht überfordert. Wie schwierig das Verfahren ist, können Sie in etwa mit den technologischen Herausforderungen bei einer Internet-Suchmaschine vergleichen. Ähnlich wie dort haben wir in den letzten zehn Jahren einen äußerst leistungsfähigen Algorithmus entwickelt, der den Kern unserer Software bildet und den wir kontinuierlich verbessern. 

    Wie sieht das in der Praxis aus?

    Das Klinikum Ingolstadt, das seit den neunziger Jahren mit unserer Medical Solution arbeitet, ist einer der Pioniere beim optimierten Personaleinsatz. Das Management ist heute in der Lage, eine so flexible Arbeitswelt anzubieten, dass die Klinik als einer der attraktivsten Arbeitgeber im Gesundheitswesen gilt. Mit einer sensationell niedrigen Fluktuationsrate. Was das in einem leer gefegten Arbeitsmarkt wie dem für Ärzte und Pflegepersonal bedeutet, muss ich Ihnen nicht näher erläutern. Und Ingolstadt geht sogar noch weiter: Mit der Audi AG, dem größten Arbeitgeber in der Region, wird eng kooperiert, um eine optimale Taktung der Gesundheitsangebote und Arbeitszeiten zu erreichen und voneinander zu lernen. Diese Ausrichtung eines Geschäftsmodells bzw. Betriebsablaufs auf die Nachfrage des Marktes ist in einer eher traditionellen Branche wie dem Gesundheitswesen für mich schon fast revolutionär. 

    Bei Krankenhäusern haben Sie 2011 spannende Projekte gewonnen.

    Im Gesundheitswesen besteht nicht zuletzt durch den enormen Konzentrations- und Kostendruck ein hoher Bedarf, die immer anspruchsvoller werdenden Personalprozesse schnell und effizient zu managen. In der Tat ist es uns gelungen, einige große Vertriebserfolge, etwa bei den Universitätskliniken in Mainz oder Frankfurt, zu erzielen. Einer der Gründe dafür ist, dass wir 2011 unsere Software für SAP®-Anwender geöffnet haben. Damit bieten wir diesem Segment der großenHäuser erstmals die Möglichkeit, unsere High End-Planungswerkzeuge in ihre bestehende IT-Landschaft einzubinden.

    Das war nicht die einzige Innovation im vergangenen Jahr …

    Spannend ist auch der Bereich Hospitality. Hier haben wir eine neue Lösung für Hotels auf den Markt gebracht. Hotels sind ein gutes Beispiel für eine Branche, die extrem kurzfristige, schwankende Nachfragesituationen und durchschnittliche Auslastungsraten von deutlich unter 80 Prozent bewältigen muss. Und das, ohne bei der Servicequalität Abstriche zu machen oder die Personalkosten explodieren zu lassen. Auch hier spielt das Thema Load Balancing eine große Rolle. Viel positive Resonanz bekamen wir auch für unsere Workforce Management App, die auf die Bedürfnisse mobiler Arbeitswelten zugeschnitten ist – ein echtes Zukunftsthema.

    Unsere internationale Präsenz werden wir künftig auch über Partnerschaften konsequent ausbauen.

    Andreas F.J. Obereder | CEO und Gründer, ATOSS

    Auch im Handel war 2011 wieder ein erfolgreiches Jahr für ATOSS …

    Korrekt. Wir sind für Handelsunternehmen zu einer absoluten Premium-Marke geworden. Kunden wie ALDI SÜD, EDEKA oder Douglas zeigen uns, welche strategische Bedeutung unser Workforce Management für sie hat. 2011 haben wir eine Vielzahl neuer Kunden wie ADLERModemärkte oder Praktiker gewonnen, Unternehmen wie PUMA oder HORNBACH setzen die ATOSS Retail Solution intensiv im Ausland ein. Ein Highlight 2011 war für uns das Projekt für Eddie Bauer in Japan.

    Das Auslandsgeschäft gewinnt für ATOSS also immer mehr an Bedeutung?

    Richtig, derzeit sind unsere Lösungen bereits in 23 Ländern rund um den Globus im Einsatz. Unsere internationale Präsenz werden wir künftig auch über Partnerschaften konsequent ausbauen. Wincor Nixdorf vertreibt beispielsweise unsere Handelslösung seit Mitte 2011 europaweit. 

    Und wie soll es 2012 weitergehen?

    Wir sind in einem Markt unterwegs, der erst am Beginn seiner Evolution steht und in dem sich in Zukunft noch viel bewegen wird. Denken Sie nur an die demographische Entwicklung und ihre Auswirkungen. Ich bin überzeugt, dass wir mit unserem Portfolio äußerst stabil und zukunftsfähig positioniert sind. Unser Ziel ist es, die Arbeitswelten von heute und morgen nachhaltig zu verändern und den Erfolg unserer Kunden langfristig zu sichern. Auf diese Herausforderung freuen wir uns. 

    Vielen Dank für das Gespräch.