Herr Obereder, ATOSS ist seit 30 Jahren am Markt. Sie können auf eine lange Erfolgsgeschichte mit zuletzt 12 Rekordjahren in Folge stolz sein. Aber blicken Sie nicht mit etwas Sorge in die Zukunft?
Wie meinen Sie das?
Als Sie anfingen, waren Sie der Pionier für Workforce Management in Deutschland. Heute ist das Thema etabliert. Viele Unternehmen sind auf den Zug aufgesprungen, digitalisieren will auch jeder.
Ach so, Sie meinen, dass die Luft dünner wird. Nein, die Aufgaben und Wachstumsfelder gehen uns nicht aus! Die digitale Transformation unserer Unternehmen und unserer Lebensumwelt hat gerade erst begonnen. Die großen amerikanischen und asiatischen Internetkonzerne wachsen mit Raten, die man sonst nur von kleinen Startups kennt. Bei Amazon zogen zum Beispiel die Umsätze im letzten Quartal 2017 um 38 Prozent an. Google und Bill Gates bauen ganze digitale Modellstädte. Uns stehen radikale Umwälzungen bevor, die auch unser Thema, die Arbeitswelt, betreffen. Diesen Umbruch wollen wir mitgestalten.
Werfen wir einen Blick nach vorne: Industrie 4.0, Automatisierung und Robotik gewinnen an Bedeutung. Bedroht das nicht Ihr Geschäftsmodell? Immerhin geht es beim Workforce Management um Menschen und nicht um Roboter.
Keine Sorge, die Arbeitsplätze werden uns nicht ausgehen. Auch in den letzten 30 Jahren gab es in Europa bereits massive Umwälzungen. Allein in Deutschland sind heute 3 Millionen Menschen weniger in der Produktion beschäftigt als zu Beginn der 90er Jahre. Teilweise bedingt durch die Automatisierung und jetzt beschleunigt durch die intelligente Vernetzung von Produktions- und Logistikprozessen, der sogenannten Industrie 4.0. Interessanterweise wurden im gleichen Zeitraum aber über 9 Millionen neue Arbeitsstellen im Dienstleistungssektor geschaffen. Automatisierung und Robotik führen nicht automatisch zu weniger Arbeitsplätzen. Wir befinden uns vielmehr in einer Transformation von einer Industrie- hin zu einer Dienstleistungs- und langfristig Wissensgesellschaft. Schon heute sind rund 75 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland im Dienstleistungssektor tätig. Damit liegen wir im europäischen Durchschnitt. Der Blick in die USA – wo inzwischen fast 90 Prozent der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor tätig sind – zeigt, dass da noch Luft nach oben ist.
ATOSS scheint mit diesen Veränderungen gut zurechtzukommen und hat das beste Geschäftsjahr in der Unternehmensgeschichte hingelegt. Was sind Ihre Erfolgsfaktoren?
Nun, da gibt es vielschichtige Gründe, aber die wesentlichen Faktoren aus meiner Sicht sind unser strategischer Fokus auf das Thema Workforce Management, die unternehmerische Kultur, die Kompetenz und Leidenschaft unserer Mitarbeiter und natürlich unsere Technologie- und Innovationsführerschaft.
Wo sehen Sie solche Veränderungen?
Schon seit den 90er Jahren befinden sich ganze Branchen im rasanten Wandel. Megatrends wie Industrie 4.0, die zunehmende Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft, die rasant zunehmende Digitalisierung oder die »On-Demand«-Ausrichtung beschleunigen das. Auch die stärkere Verzahnung von Arbeit und Freizeit, Stichwort Work-Life-Integration, macht sich bemerkbar. Einerseits steigt die Zahl der Beschäftigtenverhältnisse, andererseits verändern sich die Beschäftigtenquoten verschiedener Branchen und die Arten der Beschäftigung.
Können Sie Beispiele nennen?
Seit 1987 hat sich die Teilzeitquote in Deutschland mehr als verdoppelt und beträgt heute rund 35 Prozent. Es liegt auf der Hand, dass Workforce Management gerade hier einen besonderen Beitrag zur Wertschöpfung und Mitarbeitermotivation leisten kann, denn die Beschäftigungsverhältnisse werden deutlich komplexer, vielschichtiger und individueller als bisher. Aber auch bei den rund 17 Prozent Erwerbstätigen, die nach einem festen Schichtrhythmus arbeiten, hat der Flexibilisierungsgrad deutlich zugenommen.
Technologie spielte in Ihrem Unternehmen schon immer eine wichtige Rolle, nicht wahr?
Technologie und Innovation haben bei uns in der Tat einen hohen Stellenwert. Wir begannen vor 30 Jahren, indem wir ein Zeitwirtschaftssystem auf IBM-Maschinen entwickelten. Heute – 4 entscheidende Technologiesprünge später – bieten wir die fachlich umfangreichste Workforce Management Lösung an. Wenn es in die Strategie des Kunden passt, natürlich auch in der Cloud mit höchsten SLAs und Sicherheitsstandards. Im SAP-Umfeld sind unsere Lösungen zudem in die bestehenden HR-Systeme unserer Kunden integriert. Unsere Lösungsbandbreite für Unternehmen von 2 bis 200.000 Mitarbeitern und für nahezu alle Branchen ist einmalig. Das geht nur durch ein konsequentes Investment in Research & Development. Bei uns werden jedes Jahr rund 20 Prozent des Umsatzes investiert. In Summe sind das über die letzten Jahre weit über 100 Millionen Euro. Auch das ist in unserem Geschäftsfeld einmalig.
Die Umbrüche sind also vor allem eine Chance für ATOSS?
Das ist richtig. Allein in Deutschland sind seit den 90er Jahren 5,5 Millionen Erwerbstätige hinzugekommen. Das ist zu einem guten Teil auf die Arbeitszeitflexibilisierung zurückzuführen. Für die damit verbundenen Anforderungen braucht es hochintelligente Workforce Management Lösungen. Außerdem nimmt der Bedarf an Steuerungssystemen durch die Transformation hin zu Branchen mit hohen Personalkostenanteilen, wie etwa dem Dienstleistungssektor, weiter zu.
Wo sehen Sie im Dienstleistungssektor Potenziale?
Nehmen wir zum Beispiel das Facility Management. Dieser junge und dynamische Markt hat sein Angebot in kurzer Zeit vom Gebäudereiniger zum Multi-Dienstleister entwickelt. Mit mittlerweile über 4 Millionen Beschäftigten in Deutschland und 130 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung generiert die Branche ca. 5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Anbieter ie HECTAS, Leadec, Sodexo, WISAG, übrigens alles unsere Kunden, wachsen kontinuierlich und haben zum Teil mehrere hunderttausend Beschäftigte weltweit. Ohne moderne Systeme könnten diese Unternehmen die Komplexität ihrer Dienstleistungen gar nicht mehr steuern und auch keine kundenorientierten, flexiblen Services anbieten. Weltweit hat die
Branche bereits ein Marktvolumen von ca. 780 Milliarden USD. Tendenz steigend. ATOSS ist inzwischen als europäischer Anbieter etabliert.
Wie ist Ihre Sicht auf die Lage in Europa?
Der Trend zur Dienstleistung ist in Europa klar erkennbar. 2015 waren in der EU 71 Prozent im Dienstleistungssektor beschäftigt, das sind 5 Prozent mehr als noch vor 10 Jahren. Erfreulicherweise stieg, wie in Deutschland, die Anzahl der Erwerbstätigen auch EU-weit. Bei der Arbeitszeitflexibilisierung gibt es allerdings noch große Unterschiede. Frankreich weist zum Beispiel im Vergleich zu Deutschland noch recht starre Arbeitsmarktstrukturen auf. Mit großem Interesse beobachten wir, wie der französische Präsident Macron schon in den ersten Monaten seiner Amtszeit mit hohem Tempo Veränderungen hin zu einer stärkeren Arbeitsmarktflexibilisierung durchgesetzt hat. Damit hat Frankreich eine gute Chance, künftig deutlich mehr Erwerbsfähige zu integrieren. Gleichzeitig steigt aber auch die Komplexität für die französischen Unternehmen. Denn ein flexibler Arbeitsmarkt ist deutlich anspruchsvoller, was das Workforce Management angeht. Genau hier unterstützen unsere Lösungen.
Was bewegt die CEOs Ihrer Kunden aktuell?
Thema Nummer 1 im HR-Bereich ist die Personalverknappung. Dieses Problem wird in Zukunft noch steigen. Es kommen zwei Effekte zusammen. Einerseits stehen durch die demographische Entwicklung immer weniger qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung. Andererseits hat das teilweise beträchtliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre den Markt leergefegt. Beides führt zum Mangel an qualifizierten Mitarbeitern. In Deutschland meldet die Bundesagentur für Arbeit Ende 2017 etwa 410.000 offene Fachkräftestellen – rund 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Das ist eine massive Wachstumsbremse. Es ist notwendiger denn je, das vorhandene Personal bedarfsorientiert zu planen und zu steuern, Engpässe in bestimmten Qualifikationen frühzeitig zu erkennen und diese Qualifikationen gezielt zu entwickeln. Wenn Unternehmen es schaffen, ihre Mitarbeiter in diese Prozesse einzubinden, haben sie einen wichtigen Schritt zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und des Employer Brandings gemacht. Hier zu helfen, ist das Kerngeschäft von ATOSS.
Und das ist in den Führungsetagen schon angekommen?
Noch viel zu wenig! Wenn wir mit renommierten Unternehmen sprechen, erstaunt es mich immer wieder, dass sie im Bereich Workforce Management häufig nur ein Zeitwirtschaftssystem im Einsatz haben, das eigentlich ins Industriemuseum gehört. Eine ATOSS Studie hat zum Beispiel ergeben, dass nur 5 Prozent der befragten Unternehmen ihre vorhandenen Daten zur Bedarfsermittlung und damit zur Optimierung ihrer Workforce Management Prozesse nutzen. Das ist im Wettbewerb mit fortschrittlicheren Unternehmen ein großer Nachteil, denn Mitarbeiter werden zunehmend zur Schlüsselressource. Zudem wird Wertschöpfungspotenzial in Milliardenhöhe für die Gesamtwirtschaft verschenkt.
Wie steht es denn um die Digitalisierung in den HR-Bereichen?
Leider ist Digitalisierung oft nicht mehr als ein Modewort. Häufig wird das strategische Potenzial der Digitalisierung im HR-Bereich unterschätzt beziehungsweise nicht einmal erkannt.
Hier bedarf es zur Realisierung strategischer Potenziale ein Stück weit der Fokussierung des Topmanagements auf das Thema Workforce Management. Auch im HR-Bereich gilt »Digitize or Die!«. Großunternehmen fällt es in der Regel deutlich leichter, ihre Prozesse zu digitalisieren als dem Mittelstand, der im HR-Bereich nach wie vor eher traditionell unterwegs ist.
2018 ist bei uns das Jahr der nächsten Generation von Self Services-Platformen. Eine neue Ära beginnt.
Andreas F.J. Obereder | CEO und Gründer, ATOSS
Hat ATOSS ein Angebot für den Mittelstand?
Wir wissen, dass der Mittelstand Einstiegslösungen benötigt. Daher haben wir schon vor Jahren unser Angebot um hochgradig standardisierte Lösungen erweitert. Diese helfen KMUs mit sehr überschaubaren Investitionen und kurzen Projektlaufzeiten zu modernen Lösungen zu kommen. Allein im letzten Jahr konnten wir damit über 500 neue KMU-Kunden von modernem Workforce Management begeistern. ATOSS hat sich im Massenmarkt etabliert. Wir sind heute Full Range Anbieter.
Warum sollten sich Unternehmen für eine Lösung von ATOSS entscheiden?
Unseren Kunden gelingt es, auf 3 Ebenen Nutzenpotenziale auszuschöpfen: Auf der administrativen Ebene werden Unterstützungsprozesse verschlankt, automatisiert und ressourcenschonend gestaltet. Auf der operativen Ebene können deutliche Potenziale durch Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen gehoben werden. Durch bedarfsgerechten Personaleinsatz und die Optimierung der damit verbundenen Prozesse werden die Kosten optimiert. Dies führt in aller Regel auf der Produkt- oder Dienstleistungsebene durch eine höhere Qualität zu steigenden Umsätzen. Dieser dritte Aspekt wirkt sich direkt auf die Profitabilität aus und ist vielen Unternehmen gar nicht bewusst.
Haben Sie konkrete Zahlen?
Nehmen Sie unseren Kunden engelhorn, wo 1.500 Mitarbeiter in knapp 60 Planungsbereichen gesteuert werden. Die ATOSS Lösung ermöglicht es, dies durch regelbasierte Planvorschläge in einer sehr hohen Planungsqualität zu tun – bei 60 bis 80 Prozent weniger Planungsaufwand. In der Logistik wird eine Prognosegenauigkeit von bis zu 95 Prozent realisiert. Das führt zu Einsparungen von vielen tausend Stunden allein in der Personaladministration. Über die administrative und operative Ebene hinaus helfen wir unseren Kunden auch noch auf strategischer Ebene. Zum Beispiel beim Aufbau einer Arbeitgebermarke und bei der Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit durch die Integration der Mitarbeiter in die Planungsprozesse. Das sind Themen, die in Zeiten des Fachkräftemangels einen hohen strategischen Wert haben.
Können Sie ein Beispiel für mehr Mitarbeiterintegration nennen?
Für unseren Kunden Lufthansa haben wir unter dem Motto »Demokratisierung von Arbeitsprozessen« Systeme eingerichtet, die es den Mitarbeitern erlauben, ihre Wünsche in die monatliche Arbeitszeitplanung einfließen zu lassen. Diese werden von unserem System bestmöglich berücksichtigt. Sie können sich vorstellen, wie komplex das bei einem Global Player mit zehntausenden Mitarbeitern, starken Gewerkschaften und vielfältigen gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen ist. Aber der Nutzen für Unternehmen und Mitarbeiter ist natürlich enorm. Die Mitarbeiterzufriedenheit und der Grad der Selbstbestimmung steigen, Personalressourcen werden zudem effizienter eingesetzt.
Was bedeutet für Sie der Globalisierungstrend?
Unsere Lösungen sind heute schon in über 40 Ländern im Einsatz. Dabei passen wir die Lösungen wertschöpfend an die jeweiligen lokalen Anforderungen an. Das ermöglicht internationalen Unternehmen, ihre Workforce Management Prozesse einheitlich zu steuern, wie es zum Beispiel die Firma W.L. Gore & Associates mit unserer Enterprise Solution in über 25 Ländern erfolgreich macht. Seit kurzem gehen wir einen Schritt weiter und verstärken auch unsere Vor-Ort-Präsenz. Entweder mit starken Partnern vor Ort wie in Skandinavien oder Benelux oder eigenen Standorten wie zuletzt in den Niederlanden. SHELL ist ein gutes Beispiel für einen lokal in den Niederlanden gewonnen Kunden. Dort haben wir vor kurzem den Rollout der automatischen Planung an allen Tankstellen abgeschlossen und konnten helfen, signifikante Nutzenpotenziale zu realisieren.
Was können wir 2018 von ATOSS erwarten?
Uns macht es eine Menge Spaß, genau so verlässlich und nachhaltig wie bisher zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen beizutragen – mit einem klaren Fokus als Spezialanbieter für Workforce Management. Zudem investieren wir weiter in unser Portfolio. On Premise und in der Cloud. Unsere Vision ist es, die Technologieführerschaft auszubauen und zum Global Player zu werden. Dabei wollen wir auch grundlegende Veränderungen mitgestalten und initiieren. 2018 ist bei uns das Jahr der nächsten Generation von Self Services-Plattformen. Eine neue Ära beginnt – lassen Sie sich überraschen!
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.