Herr Obereder, das 13. Rekordjahr in Folge – ist denn nicht langsam die Luft raus?
Ganz im Gegenteil – unser Thema ist relevanter denn je. Heute stehen in den Unternehmen die Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen und Geschäftsmodellen im Fokus. ATOSS agiert dabei als digitaler Wegbereiter, der Unternehmen aller Branchen hilft, die Arbeit der Zukunft effizienter zu gestalten und die Transformation hin zu New Work zu meistern. Hier geht es allerdings nicht nur um Effizienz und Optimierung, sondern insbesondere um intelligente, neue Formen der Arbeitszeitgestaltung und die bessere Integration der vorhandenen Arbeitskraft in diese Prozesse. Agilität und Flexibilität sind die Erfolgsfaktoren von morgen.
Wie gelingt es ATOSS, auch nach über drei Dekaden am Markt führend zu sein?
Der Schlüssel liegt in der Expertise unserer Mitarbeiter sowie in der State-of-the-Art-Technologie und Innovationskraft unseres Unternehmens. 40 Prozent unserer knapp 500 Mitarbeiter sind Entwickler und wir investieren nachhaltig jedes Jahr 20 Prozent des Umsatzes in die technologische Weiterentwicklung – in Summe weit über 100 Mio. Euro. Mit dieser Investitionsquote ist ATOSS klar die Nummer 1 unter den europäischen Workforce Management Anbietern, wie die EU in ihrem jährlichen »EU R&D Scoreboard« gerade wieder bestätigt hat. Prägend für unseren Erfolg sind außerdem Werte wie Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit, die den Rahmen für unser Handeln bilden.
Können Sie ein Beispiel für einen Ihrer Werte nennen?
Nun, bei einem börsennotierten Unternehmen ist der Aktienkurs ein guter, objektiver Indikator für Glaubwürdigkeit. Und dieser Aktienkurs hat sich, Stand Januar 2019, in den letzten zehn Jahren verzehnfacht. Das ist fünf Mal mehr Wachstum als der DAX und in etwa vergleichbar mit der Kursentwicklung einer Apple-, Google- oder Facebook-Aktie. Und wir haben in all den Jahren kein einziges Mal eine Prognose nach unten korrigiert.
ATOSS scheint eine Konstante zu sein, welche Risiken sehen Sie in Ihrem wirtschaftlichen Umfeld?
Die Risiken für eine weiterhin positive Entwicklung der Gesamtwirtschaft haben sich durch die voranschreitende Deglobalisierung aufgrund der Zunahme eines rücksichtslosen Nationalismus verstärkt. Beispiele sind der Handelskrieg zwischen den USA und China oder die stückweise Abkehr von multinationalen Institutionen, wie zum Beispiel in Großbritannien. Gerade in solchen Zeiten setzen Best-in-Class-Unternehmen auf Lösungen zur Optimierung ihrer Prozesse und ihrer Effizienz. Genau das ist unsere Stärke.
Wirklich kein leichter Pessimismus beim Blick nach vorne, Herr Obereder?
Wenn ich auf ATOSS blicke, nein. Über 1.000 Unternehmen weltweit – wie etwa die Rhenus Group, GrandVision B.V. respektive Apollo-Optik, die DB Netze oder auch Hidden Champions wie Manthey-Racing – haben sich allein 2018 für eine ATOSS Lösung entschieden. Dabei ist unsere Lösungsbandbreite für Unternehmen von zwei bis 200.000 Mitarbeitern und für nahezu alle Branchen und Herausforderungen einmalig.
Wie haben sich denn die Kundenanforderungen über die Zeit verändert?
Früher ging es um Verwaltung und Berechnung von Arbeitszeiten. Das ist heute lediglich die notwendige Basis, auf der wir hochperformante Algorithmen mit Daten zum Unternehmen, zu Mitarbeiterwünschen und gesetzlichen Rahmenbedingungen aufsetzen. Das Ergebnis ist eine akkurate Prognose des Personalbedarfs sowie eine darauf abgestimmte, optimierte Planung. Die Güte dieser Algorithmen macht schon heute und künftig noch mehr den Unterschied. Nehmen Sie unseren Kunden, die Parfümeriekette Douglas, die heute aufgrund unserer hohen Prognosesicherheit punktgenau weiß, wann sie welche Mitarbeiter wo braucht. Damit gelingt es Douglas, das stark volatile Geschäft mit Spitzenbelastungen zur Weihnachtszeit deutlich besser, fairer und kosteneffizienter zu planen. Dies führte innerhalb von sechs Monaten zu einer Reduktion der Überstunden in Höhe von 25 Prozent bei gleichem Umsatz.
Was ist mit dem War for Talents – wie sehr beeinflusst dieser Ihre Kunden?
Sie meinen den Mangel an Fachkräften in einzelnen Berufsfeldern? Der hemmt bereits heute vielerorts das Wachstum. In den letzten fünf Jahren ist der Anteil der unbesetzten Stellen in Europa um mehr als 60 Prozent gestiegen. Dieser Trend wird sich bei anhaltend guter Konjunktur deutlich verschärfen. Hinzu kommen die neuen Herausforderungen durch die jüngeren Mitarbeiter der Generationen Y und Z, wie erhöhte Forderungen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung und Demokratisierung von Unternehmensprozessen. Hierbei ist es schwieriger als je zuvor, eine Win-win Situation zwischen Unternehmen und Mitarbeitern herzustellen. Und genau da setzen wir an mit Lösungen, die hochflexibles Arbeiten ermöglichen und die Mitarbeiter in die Arbeitszeitgestaltung integrieren.
Wie sieht denn so eine Mitarbeiterintegration aus?
Nehmen Sie zum Beispiel unseren langjährigen Kunden, die Lufthansa, bei dem die Transparenz rund um die Arbeitszeit und damit die Mitarbeiterzufriedenheit erheblich verbessert wurde. Smartphone-basierte Tauschbörsen und Wunschdienstpläne werden von den Mitarbeitern sehr positiv als zusätzliche Serviceelemente im Unternehmen wahrgenommen. Dank unserer Lösung besteht zudem Transparenz über den Erfüllungsgrad der Mitarbeiterwünsche, was den heutzutage wichtigen Demokratisierungsprozess in den Unternehmen stark unterstützt.
Warum sollte ein CEO in Ihre Lösungen investieren?
Die quantifizierbaren Nutzeneffekte von digitalem Workforce Management haben heute für fast jedes Unternehmen strategische Bedeutung. Sie betreffen sowohl Umsatz als auch Kundenzufriedenheit, Produktivität, Qualität und Effizienz. Prozesse werden beschleunigt, Fehler vermieden, Kostenvorteile erzielt – kurz, es entsteht Mehrwert auf vielen Ebenen. In Österreichs exklusivem Warenhaus Kastner & Öhler ermöglicht unsere Lösung beispielsweise, die Kundenansprüche bezüglich hoher Beratungsqualität und niedrigen Wartezeiten an der Kasse zu erfüllen und gleichzeitig die Personalkosten zu senken. Natürlich hat die Verbesserung des Service Levels auch positive Auswirkungen auf den Umsatz. Wir erleben solche Effekte tagtäglich bei unseren Kunden. Viele sparen sich Jahr für Jahr Millionenbeträge dank der Wertschöpfung durch unsere Lösungen.
Wie ist denn aus Ihrer Sicht heute der Status der Digitalisierung in den Unternehmen?
Sie wären erstaunt, wie viele Unternehmen immer noch mit selbst entwickelten oder stark individualisierten Teillösungen, manuellen Prozessen oder sogar noch mit Papier und Bleistift unterwegs sind. Manchmal habe ich das Gefühl, es geht uns zu gut. Wir sind verwöhnt vom Erfolg und Wachstum der letzten Jahre. Und, so scheint es mir, viele Unternehmen ziehen daraus den Schluss, den Status quo nicht verändern zu müssen. Die Wichtigkeit wird aber sehr wohl erkannt. Laut einer Studie von etventure und GfK zählen mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen die Digitalisierung zu ihren Top-3-Themen. Aber nur 35 Prozent sind mit dem Stand ihrer Digitalisierung zufrieden. Ein deutlicher Abstand zu den USA, wo 85 Prozent der Unternehmen sich als gut oder sehr gut auf die digitale Transformation vorbereitet sehen. Gerade jetzt, wo es der Wirtschaft gut geht und die Mittel da sind, müssen die Unternehmen handeln. Now or never heißt die Devise. Industrie 4.0 und Personaleinsatzplanung an der Magnettafel sind einfach nicht kompatibel.
Warum ist Workforce Management ein strategisches Thema, mit dem sich die Führungsebene so viel beschäftigt?
Nun, der aktuelle und selbst bei rückläufiger Konjunktur anhaltende Fachkräftemangel zwingt jedes Unternehmen, das vorhandene Personal deutlich effizienter einzusetzen. Dabei müssen natürlich Mitarbeiterwünsche für Dauer, Ort und Zeit des Arbeitseinsatzes bestmöglich berücksichtigt werden. Und jede Geschäftsführung hat ein hohes Interesse daran, beim Thema Arbeitszeit und Personaleinsatz nicht gegen Gesetze zu verstoßen. Wir haben gerade wieder in Österreich – wo im September 2018 mit dem neuen Arbeitszeitgesetz die Möglichkeit des 12-Stundentags auch außerhalb des Einzelhandels eingeführt wurde – erlebt, wie kurzfristig Unternehmen auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren müssen. Wir stellen sicher, dass in unseren Lösungen neue Regelungen frühzeitig abgebildet werden können. Davon profitieren Kunden wie Fronius International, mit knapp 4.000 Mitarbeitern ein international erfolgreiches Technologieunternehmen mit Sitz in Österreich. Dort werden bei der automatischen Dienstplanerstellung regel- und gesetzeskonform nicht nur eine optimale Bedarfsabdeckung, sondern auch eine optimale Teamkonstellation berücksichtigt. Das steigert unmittelbar die Effektivität und leistet einen zentralen Beitrag zur strategisch wichtigen Mitarbeiterzufriedenheit.
Gibt es solche Nutzenbeispiele auch für andere Branchen?
Natürlich. Überall dort, wo Personalkosten eine große Rolle spielen, schaffen wir Mehrwert. Beim Versandhaus Walz nutzen rund 1.200 Mitarbeiter unsere Self Service Lösung in der Verwaltung, den Filialen und im Bereich Logistik & Kundenservice. Mitarbeiter planen autark ihre Urlaube, überprüfen proaktiv erfasste Arbeitszeiten und stellen bei Bedarf einen elektronischen Antrag zur Korrektur. Die Vorgesetzten haben über die ATOSS App mobilen Zugriff auf vielfältige Anwendungen, bei spielweise den Soll-/Istvergleich der Filialbesetzung oder einen Umsatz-Liveticker je Fachgeschäft. Auch in der Pflege stiftet unsere Lösung messbaren Nutzen. Bei unserem Kunden Klinikum Leverkusen ermöglicht die genaue Zuordnung der Istarbeitszeiten aller Beschäftigen über ein detailliertes Kostenstellenmanagement eine filigrane Darstellung und proaktive Steuerung der wertvollen Arbeitszeit – ganz besonders in den medizinischen und pflegerischen Bereichen. Die Klinik hat so bei kontinuierlich hoher Versorgungsqualität beispielsweise Rückstellungen für Überstunden und Resturlaube im sechsstelligen Bereich abgebaut. Auch beim Employer Branding und der Umsetzung innovativer Arbeitszeitkonzepte spielt Workforce Management eine wichtige Rolle.
Im Gesundheitswesen passiert aktuell viel …
Die Pflegebranche ist in der Tat ein topaktuelles Beispiel dafür, welch starken Einfluss Veränderungen der externen Rahmenbedingungen auf Workforce Management Prozesse haben können. Seit diesem Jahr gilt die neue Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung in Krankenhäusern. Sie legt das Verhältnis
zwischen der Patientenzahl und der Anzahl der eingesetzten Pflegekräfte – Fach- und Hilfskräfte – je nach Schicht genau fest. Die ATOSS Medical Solution unterstützt Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen maßgeblich, die neuen Anforderungen des Gesetzgebers zu erfüllen.
Der Fachkräftemangel zwingt jedes Unternehmen, das vorhandene Personal deutlich effizienter einzusetzen.
Andreas F.J. Obereder | CEO und Gründer, ATOSS
Wie geht ATOSS mit der zunehmenden Globalisierung der Kunden um?
Unsere Lösungen sind heute schon in über 40 Ländern im Einsatz. Anpassungen an die jeweiligen lokalen Anforderungen können wir problemlos im Standard realisieren. Das ermöglicht es internationalen Unternehmen, ihre Workforce Management Prozesse einheitlich zu steuern, wie es zum Beispiel die Firma W.L. Gore mit unserer Enterprise Solution in 29 Ländern erfolgreich macht. Oder auch Shell Retail Netherlands, wo wir 2017 für mehr als 3.000 Mitarbeiter in 230 Tankstellen die automatische Dienstplanung eingeführt haben. Auch im internationalen Kontext ist es übrigens entscheidend, sich den ständig verändernden Rahmenbedingungen schnell anpassen zu können. In den Niederlanden haben auf Basis des CAO – eines lokalen Kollektivvertrags – zum Beispiel Mitarbeiter unterschiedlicher Branchen seit Kurzem ein Anrecht darauf, ihren Dienstplan zwei Wochen vorher zu kennen. Außerdem hat sich in diesem Jahr die Urlaubsanspruchsregelung für ältere Mitarbeiter geändert. Beides muss in Prozessen und Systemen berücksichtigt werden, um ein rechtskonformes Arbeiten sicherzustellen.
Stichwort Internationalisierung – wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Nun, wir sind noch nicht am Ziel. Stand heute ist der Workforce Management Markt global sehr fragmentiert. Es gibt einige regional starke Anbieter, so wie ATOSS in Europa. Aber keinen, der weltweit ein einheitliches, nutzenstiftendes Lösungsportfolio anbietet. Diese Herausforderung als erster Anbieter zu lösen, haben wir uns bis 2025 zum Ziel gesetzt. Kein leichtes Unterfangen, aber ich denke, unsere Ausgangslage ist sehr gut.
Und das allgegenwärtige Thema Cloud?
Es scheint so, als sei der Trend in Richtung Cloud nun auch in eher zurückhaltenden Märkten wie Deutschland angekommen. Schon heute entscheiden sich über 70 Prozent unserer Neukunden für unsere Cloud Lösung. Der Anteil wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Wir bauen daher unser Cloud Angebot kontinuierlich weiter aus, um unseren Kunden einen schnellen, sicheren und flexiblen Zugriff auf Applikationen zu ermöglichen. So können sich die Unternehmen noch stärker auf ihr Kerngeschäft und Businessinnovationen konzentrieren.
Technologie ist das bestimmende Thema bei ATOSS – was war Ihr persönliches Highlight 2018?
Im letzten Jahr gelang uns die Einführung einer revolutionären Entwicklung im Bereich der Self Service Lösungen. Mit unserem neuen Staff Center haben wir bewiesen, dass Workforce Management Prozesse Spaß machen können, wenn sie intuitiv gestaltet und radikal am Kundennutzen ausgerichtet sind. Dafür haben wir von Grund auf neu gedacht und eine sehr innovative Lösung mit modernster Technologie entwickelt. Bis heute haben wir alleine in das Staff Center über 20 Mio. Euro investiert. Ohne solche signifikanten Investitionen kann ein Lösungsanbieter heutzutage mit der Geschwindigkeit der IT-Entwicklung nicht mehr mithalten. Früher galt die Regel, dass sich die Prozessorleistung ca. alle 18 Monate verdoppelt. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz spricht man inzwischen von einer Verdopplung alle dreieinhalb Monate – das ist ein um Faktor 12 schnelleres Wachstum! Da können mittel- und langfristig nur Unternehmen mit State-of-the-Art-Technologie mithalten.
Und was können wir in Zukunft von ATOSS erwarten?
Nobody is perfect. Daher arbeiten wir entlang unserer Wachstumsstrategie ATOSS|2025 an vielen innovativen Themen, wie zum Beispiel der Sprachen- und Gestensteuerung oder eben auch der Einbindung von KI in Workforce Management Prozesse. Sie dürfen also gespannt sein.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!